In diesem Beitrag geht es um Bildkomposition bei der Landschaftsfotografie. Der Artikel erklärt dir die Regeln der Bildkomposition und gibt dir nützliche Tipps mit vielen praktischen Beispielen an die Hand. Wie kannst du dein Foto optimal gestalten und die Elemente so arrangieren, damit das Bild auf den Betrachter möglichst stimmig wirkt? Hier bekommst du das Grundwissen über den Bildaufbau, die Komposition und viele Tricks und Übungen damit du diese bei deiner eigenen Bildgestaltung in Zukunft ganz bewusst einsetzen und den Blick des Betrachters durch das Bild lenken kannst.
Einstellungen: F/11, 1/25 Sekunden, ISO100 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 14-24mm + Polfilter + Stativ
Einleitung & Motivation
„Wer als Anfänger die Gestaltungsregeln der Fotografie ignoriert, hat keinen Verstand. Wer sich aber fotolebenslang daran klammert, hat keine Phantasie.“
Detlev Motz
Warum ist Bildkomposition so wichtig
Bildkomposition und bewusste Gestaltung der Elemente innerhalb eines Fotos sind besonders für Fotografie Anfänger sehr wichtig zu lernen. Durch Beachtung der allgemeinen Regeln der Bildgestaltung kannst du, ohne neue Ausrüstung und teure Reisen, das Niveau deiner Fotografie auf ein völlig neues Level heben. Durch gezielte Wahl des Bildausschnitts und einem durchdachten Arrangement der Elemente in deinem Bild, kannst du die Attraktivität deiner Fotos für die Betrachter erheblich steigern. Eine gute Bildkomposition macht ein Foto interessanter und erhöht die Verweildauer beim Ansehen. Neben dem Licht und dem Motiv einer Fotografie, ist die Bildkomposition eins der Kernelemente, die ein kunstvolles Foto von einem Schnappschuss unterscheiden.
Ordnung ins Chaos bringen
Oft sehe ich mir Fotos von Freunden, Bekannten oder Verwandten an, die sie im Urlaub oder während einer Reise aufgenommen haben und denke mir: „sehr schönes Motiv, aber warum ragt der Ast da mitten ins Bild und warum ist der Horizont schief?“ – oder ähnliches. Der Fotograf hätte z.B. nur ein paar Meter nach links oder rechts gehen müssen, um einen freien Blick auf das Hauptmotiv präsentieren zu können. Es sind meistens ganz einfache Dinge, auf die du achten kannst, die den Erfolg eines Fotos ausmachen.
Bei besagten Urlaubsschnappschüssen sind es oft die Kleinigkeiten, die störend für eine harmonische Bildkomposition sind. Autos oder Boote sind nur halb auf dem Bild oder es fehlen die Füße einer Person oder das Hauptmotiv ist teilweise verdeckt oder in eine Ecke gequetscht. Ein weiterer Klassiker ist, dass viel zu viel auf dem Bild gezeigt wird und das Hauptmotiv dabei verloren geht.
Du musst für den Betrachter deiner Bilder Ordnung ins Chaos bringen und dabei möglichst alle störenden Elemente herausfiltern. Versuche dich auf das Wesentliche zu konzentrieren und dabei möglichst alles Ablenkende wegzulassen. Bei einer idealen Bildkomposition gibt es einen Einstiegspunkt (höchster Kontrast im Bild) und praktisch unsichtbare Linien, an denen der Betrachter durch das Bild zum Hauptmotiv geführt wird, an dem er verweilen und das Foto in Ruhe genießen kann.
Regeln der Bildkomposition
In den folgenden Abschnitten erkläre ich dir die grundlegenden Regeln der Bildkomposition in der Landschaftsfotografie.
Goldener Schnitt
Die theoretische Grundlage
Die Grundlage aller Regeln und Überlegungen bei der Bildkomposition ist der Goldene Schnitt. Er beruht auf mathematischen Grundlagen, die bereits in der griechischen Antike erkannt wurden. Vereinfacht ausgedrückt beschreibt der Goldene Schnitt (lat. sectio aurea oder proportio divina) ein bestimmtes Teilungsverhältnis einer Fläche oder Strecke von 61,8 zu 38,2 Prozent. Das entspricht also ganz grob und Pi mal Daumen mit beiden Augen zugedrückt ungefähr zwei Drittel zu einem Drittel. Wenn du mehr über die historischen und mathematischen Hintergründe erfahren willst, empfehle ich dir den sehr ausführlichen Wikipedia Artikel dazu.
Visuell dargestellt und auf eine Fläche im Bildverhältnis 3:2 angewandt sieht der Goldene Schnitt dann aus, wie in der Abbildung oberhalb. Die Ausrichtung der Spirale kann dabei in alle Richtungen gespiegelt werden. Der Verlauf der Spirale ist in der Abbildung visualisiert durch die Viertelkreise unterschiedlicher Grauschattierungen. Der Blick wird von den dunklen Bereichen hin zum hellsten Bereich geführt. Das Verhältnis der Radien der Kreissektoren entspricht der Fibonacci-Folge.
Praxis und konkrete Beispiele
So viel zu den theoretischen und mathematischen Hintergründen der Bildkomposition. Was sollst du nun damit anfangen und wie soll das deine Bilder verbessern? Lass mich dir das an konkreten Beispielen und der praxisnahen Anwendung dieses Wissens erklären.
Einstellungen: F/11, 1/4 Sekunde, ISO64 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Im Foto der Sächsischen Schweiz oberhalb siehst du den Goldenen Schnitt in Aktion. Ich habe ein rotes Raster über das Bild gelegt, um dir die Proportionen und die Aufteilung der einzelnen Bereiche besser zeigen zu können. Du kannst von der Ecke oben links eine imaginäre Linie kreisförmig nach unten entlang der Felsen im Vordergrund ziehen, die sich dann im rechten oberen Teil des Bildes mit immer kleiner werdenden Viertelkreisen um die Sonne herum zusammen zieht und sich dort konzentriert.
Abgesehen vom Motiv und dem Licht wirkt ein Foto, bei dem die Aufteilung der Elemente im Bild, den Proportionen des goldenen Schnitts entspricht, für Betrachter seit Jahrhunderten sehr ausgeglichen und harmonisch. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass diese Spirale ein in der Natur häufig vorkommendes Muster ist. Unser menschliches Ohr, Schneckenhäuser, Muscheln oder bestimmte Pflanzenarten sind im Normalfall auch nach diesem Schema aufgebaut. Genau so, wie auch diese natürlich gewachsene Treppe im richtigen Winkel von unten fotografiert eine Spirale ergibt.
Die Drittel-Regel
Die Drittel-Regel, oder auch Zwei-Drittel-Regel genannt, ist der wohl bekannteste Ansatz bei der Bildgestaltung. Sie ist eine Art vereinfachte Ableitung der Proportionslehre des Goldenen Schnitts bei der Fotografie.
Um die Drittel Regel anzuwenden, teilst du das Bild gedanklich in neun gleiche Teile. Dafür ziehst du zwei waagerechte und zwei senkrechte Linien, jeweils nach ca. einem Drittel der Gesamtlänge einer Bildkante. Um genau das grafisch für dich zu veranschaulichen, habe ich ein solches Raster mit roten Linien beispielhaft über das Bild unterhalb gelegt. Zu sehen ist der Sonnenuntergang am Bergsee Lago di Limides in den italienischen Dolomiten.
Einstellungen: F/11, 1/20 Sekunde, ISO100 |Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Das Gitter hilft dir zum Beispiel dabei, Himmel und Landschaft im Verhältnis 1/3 zu 2/3 zu teilen und gleichzeitig den Horizont korrekt auszurichten. Dein Hauptmotiv im Foto wird dabei idealer Weise auf einem der vier Schnittpunkte oder zumindest in dessen Nähe gelegt. Das erzeugt Spannung und Dynamik im Bild.
Ob du nun dem Himmel mehr Fläche im Foto einräumst oder der Landschaft, hängt natürlich in erster Linie vom Motiv ab. Gibt es dramatische Wolkenformationen im Himmel, wirst du wahrscheinlich mehr davon im Bild zeigen wollen. Ist der Vordergrund der Landschaft spektakulär, wird eher das den größeren Raum in deiner Bildkomposition bekommen. Welchen Elementen du am Ende mehr Platz im Bild gibst, ist allein deine Entscheidung, Hauptsache ist, dass das Verhältnis stimmt.
🔎 Tipp: Aktiviere bei all deinen Kameras (geht auch im Handy) das Gitternetz für das Display und wenn möglich auch für den Sucher. Das hilft ungemein bei der Bildkomposition.
Hauptmotiv nicht mittig platzieren
Einige Experten und Fotografie Guides raten ihren Workshop Teilnehmen gern dazu, die Mitte ihres Suchers bzw. LiveView Displays für eine Weile einfach abzukleben. So kommt man gar nicht in die Versuchung das Hauptmotiv in die Mitte des Bildes zu setzen. Solche Fotos wirken nämlich oft wenig harmonisch, langweilig und statisch.
Ein Beispiel dafür, dass es trotzdem funktionieren kann siehst du unterhalb.
Einstellungen: F/11, 1/25 Sekunde, ISO64, EV-0,67|Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Du kannst diese Regel natürlich bewusst brechen, wenn du weißt warum und das Bild dann trotzdem für dich funktioniert. Im Beispielbild sitzt das Motiv nicht mittig-mittig, sondern entlang einer der imaginären Drittel-Linien. Diese Linie teilt nicht nur den Himmel vom Vordergrund, sondern teilt auch das Hauptmotiv und dessen Spiegelung voneinander. Durch den starken Vordergrund, der Spiegelung des Hauptmotivs, dem dramatischen Himmel und den zahlreichen auf den Berg zulaufenden Linien, funktioniert das Bild, trotz des Bruches dieser Regel, für mich. Die Nutzung einiger anderer Bild stilistischer Mittel und die teilweise Nutzung der Drittel-Regel machen also diesen bewussten Fauxpas in der Summe wieder wett.
Denke immer daran, dass das Bild am Ende in erster Linie dir selbst gefallen muss, nicht etwaigen Kritikern, Editoren oder Social Media Followern. Wenn z.B. nur graue Suppe, ohne jegliche Zeichnung im Himmel zu sehen ist, du aber gerade eine spannende Landschaft vor dir hast, spricht auch nichts dagegen, der Landschaft 90% des Raums im Bild zuzusprechen und dem grauen Himmel nur 10%.
Farben und Kontraste
Der Farbkreis
Neben der Anordnung der Elemente in deinen Fotos spielt auch die Präsens von Farben und Kontrasten eine große Rolle bei der Gesamtwirkung der Bildkomposition auf den Betrachter. Der Mensch, mit seiner komplizierten Auge-Gehirn-Kombination, findet ein Zusammenspiel aus Farben, die sich im Farbkreis gegenüber liegen, d.h. komplementär sind, als schön und angenehm anzusehen.
Auf wenige Farben beschränken
Beim Betrachten der Abbildung des Farbkreises oberhalb, fällt also auf, dass z.B. Fotos mit dominanten Gelb und Blau Tönen als harmonisch wahrgenommen werden. Genau diese beiden Farben dominieren diese Szene im Herbst in den Alpen. Die Lärchen und die Wiese sind im Oktober gelb gefärbt, der Nachmittagshimmel ist blau und lässt auch die Berge leicht bläulich erscheinen. Die weißen Wolken und dunklen, fast schwarzen Schatten, runden die Farbgebung im Foto ab.
Einstellungen: F/8, 1/100 Sekunde, ISO200 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter
Es sind hauptsächlich nur drei dominante Farben im Bild vorhanden. Achte darauf, dass deine Fotos nicht zu überladen und nicht zu bunt wirken. In der digitalen Nachbearbeitung kannst du gezielt bestimmte Farben und Kontraste anheben, andere dafür entsättigen und so deren Wirkung im Bild abmildern oder verstärken. In Photoshop funktioniert das hervorragend mit der Selektiven Farbkorrektur. Ich gehe bei jedem Bild einzeln alle Farben durch und korrigiere sie manuell nach meinem Belieben.
Komplementärfarben
Die Kombination aus Blau und Gelb findest du z.B. auch in der Stadt zur blauen Stunde nach dem Sonnenuntergang, wenn die gelben Lichter der Straßenlampen und Autos und der dunkelblaue Himmel die dominierenden Farben sind.
Andere interessante Kombinationen z.B. aus Grün und Rot findest du natürlich auch überall in der Natur. Eine grüne Blumenwiese mit rotem Mohn und blauem Himmel mit weißen Wolken ist beispielsweise auch ein Hingucker, der sehr harmonisch wirkt.
🔎 Tipp: Beim Betrachten eines Bildes blickt das menschliche Auge immer zuerst zu dem Bereich mit dem höchsten Kontrast. Das kannst du gezielt für die Blickführung innerhalb des Bildes nutzen.
Brechen der Regeln
Wie schon am Beispiel des mittigen Hauptmotivs gezeigt, kannst du diese Grundregeln bei Bedarf auch umgehen, beugen oder ganz brechen. Kunst ist nicht dazu da, um sich an die Regeln zu halten und es anderen recht zu machen. Die Hauptsache ist, dass du mit dem Bild zufrieden bist und es im besten Fall auch für andere interessant wirkt.
Probieren geht über Studieren
Das Beispiel unterhalb zeigt ein Foto, bei dem ich mich zwar an die Drittel-Regel gehalten habe, aber keinen Himmel im oberen Teil des Bildes zeige, sondern lediglich die Spiegelung dessen im unteren Bereich. Ich habe vor Ort natürlich auch eine Variante mit einer klassischen Bildkomposition erstellt, aber in diesem Fall fand ich die Wirkung des Experiments am Ende interessanter.
Durch Drehung des Bildes um 180°, sodass der gespiegelte Himmel wieder oben im Bild wäre, könnte man den Betrachter dann komplett verwirren.
Was mich an dieser Komposition stört, sind die Bäume links im Foto, die bis in den Himmel hinein ragen. Sie haben zu viel Gewicht und ziehen den Blick in ihre Richtung. Dadurch wirkt das Bild viel zu linkslastig und unausgewogen. Sie müssten weg oder auf der anderen Seite des Bildes müssten als eine Art Rahmen ähnlich große Bäume stehen, damit das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Lege einfach mal zwei Finger über die Bäume links und betrachte das Foto dann. Eine ganz andere Wirkung!
Einstellungen: F/8, 1/25 Sekunde, ISO250, EV-2 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
💡 Bonus: Mehr über das Erstellen kreativer Landschaftsfotos erfährst du in meinem Artikel 10 Tipps für kreative Landschaftsfotos.
Wechsel der Perspektive
Ein Wechsel der Perspektive kann den Betrachter deiner Bilder ebenfalls zum Nachdenken anregen und das Bild sehr interessant machen. Bei dem direkten Blick senkrecht von oben nach unten, den sogenannten Top-Down Shots, muss der erdgebundene Betrachter oft erst einmal das Motiv identifizieren und einordnen. Alleine das macht ein derartiges Foto schon spannend.
Technische Daten: F/5.6 | 1/20 Sekunde | ISO 100 Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ & Polfilter für die Drohne
Die klassischen Regeln der Bildkomposition sind in solchen Fällen eher schwierig anzuwenden. Du solltest trotzdem darauf achten, dass keine prägnanten Linien vom Hauptmotiv weg oder den Betrachter aus dem Bild führen und dich natürlich auch hier auf das Wesentliche konzentrieren und alles Unnötige eher weglassen.
🔎 Tipp: Falls du in die Welt der Luftaufnahmen einsteigen willst, habe ich einen ausführlichen Ratgeber von der Auswahl bis zur Sicherheit mit vielen Tipp und Tricks zum Thema Drohnenfotografie geschrieben.
Tipps für die Bildgestaltung
Das soll an grauer Theorie und sturen Regeln erstmal reichen. Kommen wir jetzt zu den praktischen Tipps und Tricks, die du auch direkt bei deiner nächsten Fototour oder sogar im Alltag als Übung für den Ernstfall anwenden kannst.
„Auf jeden Fall aber kümmern sich die Menschen zuviel um die photographische Technik und zu wenig um das Sehen.“
Henri Cartier-Bresson
Erstmal ankommen
Ein ganz allgemeiner Tipp gleich vorneweg. Wenn du das nächste mal an einem Fotospot ankommst, fang nicht sofort an, einfach wild drauf los zu knipsen. Es sei denn natürlich, es handelt sich um eine wetter-bedingte Ausnahmesituation, die nur wenige Minuten anhalten wird. Ein Regenbogen oder ganz spezielle Wolkenformationen zum Beispiel. Im Normalfall solltest du erst einmal ankommen und den Ort in Ruhe auf dich wirken lassen und dich umsehen. Nur so kannst du dir die nötige Zeit nehmen, um die folgenden Tipps überhaupt anzuwenden und die Szenerie aufmerksam nach bildgestalterischen Elementen abzusuchen, diese zu erkennen und in deinen Bildaufbau zu integrieren.
Tiefe im Bild – Dreidimensionalität
Als Fotografen haben wir ein ganz grundsätzliches Problem. Wir bewegen uns in einer dreidimensionalen Welt mit ebenso dreidimensionalen Motiven und wollen diese Welt in ein zweidimensionales Medium, eine Fotografie in unserem Fall, übertragen und schließlich präsentieren. Wie kann uns das am besten gelingen?
Weitwinkel mit viel Blickwinkel
Um die Illusion von Tiefe zu erzeugen, hilft es ein Objektiv mit kurzer Brennweite mit viel Blickwinkel zu benutzen. Wenn du noch auf der Suche nach einem Objektiv für Landschaftsfotografie bist, schau mal in meinen verlinkten Ratgeber dazu vorbei. Dort erkläre ich auch ausführlich, warum ich für die meisten meiner Bilder ein Weitwinkel Objektiv benutze.
Klassischer Aufbau eines Landschaftsfotos
Um das Gefühl von Dreidimensionalität und Tiefe in einem Foto zu vermitteln, kannst du dich an den klassischen Aufbau eines Landschaftsfotos halten. Das bedeutet, dass dein Bild aus einem eindeutigen Vordergrund (z.B. markante Steine, Blumen, Stromschnellen), einem überleitendem Mittelteil (z.B. Tal, Wiese, Feld, Gewässer) und dem Hintergrund (z.B. Bergkette, Bäume, dramatischer Himmel) bestehen sollte. Schon eine alte Fotografen Binsenweisheit besagt schließlich:
„Vordergrund macht Bild gesund.“
Allgemeine Fotoweisheit
Einstellungen: F/11, 1/25 Sekunden, ISO100 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 14-24mm + Polfilter + Stativ
Je kürzer die Brennweite umso mehr Tiefenwirkung
Umso kürzer die Brennweite ist, mit der du fotografierst, umso mehr wird der Vordergrund in dem Bild betont. Vielleicht merkst du beim Betrachten des Bildes oberhalb ja, wie dein Blick unten im Bild bei der Pflanze im Vordergrund einsteigt, dann über die Felsen und das Tal hin zur Sonne schweift und danach nach rechts und zurück nach unten abdriftet. Alle wichtigen Elemente im Foto sind an den unsichtbaren Linien der Drittel-Regel und des Goldenen Schnittes angeordnet. Die spektakuläre Landschaft und das Licht erledigen den Rest.
🔎 Hinweis: Mehr zur Planung und Durchführung dieses Berg-Biwak Sonnenaufgangs Shootings kannst du in diesem Reisebericht nachlesen.
Vordergrund selbst gemacht
Im Foto der Fjallsarlon Gletscher Bucht in Island war mir der Vordergrund während des Sonnenuntergangs zu langweilig. Da zu diesem Zeitpunkt außer mir sonst niemand dort war und ich somit auch niemanden mit meinem Verhalten stören würde, entschloss ich mich dazu, einen großen Stein zu nehmen und im hohen Bogen ins Wasser zu werfen. Mit einer Serienaufnahme fing ich das Eintauchen des Steins ins Wasser und die sich dadurch ergebenen Wellen ein. In Photoshop habe ich später die drei Bilder manuell über Ebenenmasken zusammen gesetzt.
Einstellungen: F/8, 1/30 Sekunde, ISO64 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Wenn du also mal vor einer tollen Szenerie stehst, dir aber der nötige Vordergrund für die Tiefe im Bild fehlt, dann kreiere ihn dir kurzerhand einfach selbst. Das können gepflückte Blumen, arrangierte Steinhaufen oder sogar ein Kuscheltier sein. Da kannst du mal deiner Kreativität komplett freien Lauf lassen und dich richtig austoben!
S-Kurve für die Blickführung
Eines der ersten Dinge, die ich über die Bildkomposition gelernt habe ist, wie die Linien in einem Foto den Blick des Betrachters lenken können. Durch gezielte Platzierung von Linien, seien es Äste, Flüsse, Dachkanten, Brücken, Ufer, Strände oder was auch immer, kannst du die Blickführung durch das Bild sehr stark beeinflussen.
Eine sogenannte S-Kurve, hier in Form eines Gletscherflusses, führt den Betrachter am Beispiel unterhalb vom Einstiegspunkt unten Mitte im Foto mithilfe des S-förmigen Verlaufs einmal komplett durch die Landschaft und das Bild bis zu den Schnee bedeckten Bergen im Hintergrund.
Technische Daten: F/5.6 | 1/400 Sekunde | ISO 100 | EV-0,66 Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ & Polfilter für die Drohne
📸 Übung: Achte in deinem Alltag einfach mal bewusst auf natürlich vorkommende S-Kurven. Das kann die Schnur deiner Maus am PC sein oder auch die Straße oder der Weg zur Arbeit. Halte einfach die Augen offen. So kannst du S-Kurven auf zukünftigen Fototouren später leichter erkennen und bei deiner Bildgestaltung nutzen.
Einstellungen: F/11, 1/3 Sekunde, ISO64, EV+0,67|Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Die Szene oben habe ich z.B. beim Joggen im Park, fast direkt vor meiner Wohnungstür entdeckt. Im Alltag mit wachen Augen durch die Welt zu stromern lohnt sich also. Ich bin dann später, als das Licht besser war, zurück gekehrt und habe den Weg als führende Linie bei der Gestaltung des Fotos benutzt. Er lenkt den Blick quer durch das Bild, direkt auf die untergehende Sonne hin.
🔎 Tipp: Mehr Informationen und Fotos zum Thema Bärlauch findest du in meinem Artikel über die Bärlauch Blüte im Wald.
C-Kurve für die Bildgestaltung
Genau wie die S-Kurve kannst du auch natürlich vorkommende oder durch Menschenhand gemachte C-Kurven bei der Bildgestaltung einsetzen. Es ist das gleiche Prinzip. Es sollten deutlich sichtbare, sich vom Rest des Bildes, durch entweder starken Kontrast oder andere Farben abgrenzende Linien in Form des Buchstaben C sein.
Das Beispielbild des Glenfinnan Viadukts in Schottland, auf dem der berühmte Hogwarts Express entlang einer C-Kurve fährt, verdeutlicht das Prinzip. An dieser Stelle gebe ich dir gleich noch einen Tipp mit an die Hand. Sich bewegende Objekte sollten immer in Fahrtrichtung fotografiert werden und es sollte mehr Platz auf der Seite sein, in die sich das Objekt bewegt. Ignorierst du diese Regeln, wirkt es oft so, als würde das Objekt direkt aus dem Bild heraus führen. Wenn du z.B. einen Rennwagen fotografierst, sollte die Schnauze des Autos nicht irgendwo am Bildrand kleben, sondern etwas Platz in Fahrrichtung innerhalb des Fotos bleiben.
Einstellungen: F/5.6, 1/125 Sekunde, ISO200, EV+0,67 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 24-105mm IS + Polfilter + Stativ
📸 Übung: Suche dir entweder im Alltag oder während einer dedizierten Übungstour natürlich vorkommende C-Kurven und nutze sie bei der Gestaltung eines Fotos.
Das Foto des Seljaland Wasserfalls nutzt die Form der Höhle als C-Kurve und gleichzeitig als Rahmen, der den Blick des Betrachters im Bild hält. Die Spirale des Goldenen Schnittes ließe sich auch auf dieses Bild legen, wobei die Sonne ungefähr im Zentrum der sich verdichtenden Viertelkreise läge.
Einstellungen: F/5.6, 1/30 Sekunde, ISO250, EV-0,33 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter
Nur ein Hauptmotiv
Einer der häufigsten Fehler, die ich bei der Bildkomposition sehe, ist, dass viel zu viel auf einem Bild gezeigt wird. Konzentriere dich auf das Wesentliche und sei dir bewusst, welche Elemente du wirklich in deinem Bild haben willst. Ist zu viel Action und Buntes im Bild, kann das den Betrachter schnell überfordern und das Hauptmotiv geht dabei leider oft verloren.
Besonders bei Urlaubsbildern von Freunden und Verwandten sehe ich neben dem tollen Strand, der eigentlich gezeigt werden soll, noch einen halben Strandkorb am linken Bildrand, ein flatterndes Handtuch rechts und einige Leute die scheinbar aus dem Bild herauslaufen wollen. Achte in Zukunft einfach darauf, Dinge, die du nicht unbedingt zeigen willst oder die sogar stören, bei der Bildkomposition außen vor zu lassen.
Diese abstrakte Waldszene verzichtet sogar komplett auf ein eindeutiges Hauptmotiv. Vielmehr geht es darum, das Wirrwarr der unzähligen Bäume und Äste des Waldes zu abstrahieren und zu vereinfachen. Das Foto ist in der Kamera während der Aufnahme entstanden, nicht in der digitalen Nachbearbeitung.
Falls du so etwas selbst ausprobieren willst, fotografierst du am besten im komplett manuellen Modus und stellst die Blende, ISO und Belichtungszeit so ein, dass sich für die Verschlusszeit ein Wert zwischen einer halben und zwei Sekunden ergibt. Während der Aufnahme bewegst du dann die Kamera leicht nach oben oder unten, et voilà.
🔎 Tipp: Das Zusammenspiel von Blende, Verschlusszeit und ISO habe ich in einem extra Artikel erklärt.
Nutze natürliche Linien für die Blickführung
In der Natur kommen unzählige Linien vor, die du für deine Bildgestaltung nutzen kannst. Nicht immer sind dir diese Linien bewusst oder auf den ersten Blick für dich sichtbar, aber sie sind da. Spätestens dein Unterbewusstsein registriert diese Linien, wenn du dir ein Foto ansiehst. Es gibt also nicht nur offensichtliche S- und C-Kurven, sondern noch viel mehr, teils verborgene, teils sehr offensichtliche Linien.
Das Beispiel dieses Gletscher Fotos zeigt, wie viele Linien, die nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen sind, alle auf das Hauptmotiv im Bild, den Schnee bedeckten Johannisberg oberhalb des Pasterzengletschers, zeigen. Einfach alles im Bild deutet auf diesen Berg hin.
Einstellungen: F/11, 1/25 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter + Stativ
📸 Übung: Versuche beim Ansehen von Fotos oder auf einer der nächsten Touren mal auf solche Linien in der Natur zu achten und sie zu erkennen. Nutze sie dann im Idealfall so, damit sie den Blick auf das Motiv lenken und nicht davon weg führen.
Einstellungen: F/11, 1/60 Sekunde, ISO64 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 24-120mm + Polfilter
Auch im zweiten Beispielbild führt die nicht so natürliche, aber dafür schnurgerade Linie der Ringstraße den Blick direkt auf das Motiv, den beeindruckenden Vatnajökull Gletscher in Island. Der leicht diagonale Verlauf der Straße durch das Foto, lässt das Bild zudem weniger statisch und dafür dynamischer wirken. Die Strasse funktioniert wie ein riesiger Zeigefinger, der auf den Gletscher hinweist. Flüsse, Wege und Straßen führen in unserer Welt immer irgendwo hin, in diesem Fall führen sie den Blick des Betrachters zum Hauptmotiv des Bildes.
Muster und Wiederholungen
Unser Gehirn spricht positiv auf Muster und Wiederholungen in Bildern an. Solche sich wiederholenden Formen findest zu bei zahlreichen Beispielen in der Natur oder aber auch in Stadtlandschaften mit markanten Gebäudestrukturen oder Fenstern an Fassaden zum Beispiel.
Das Foto unterhalb zeigt Bäume im Wald von oben fotografiert. Alle natürlich vorkommenden Linien führen zum Zentrum des Bildes, zum toten Baum. Das Auge wird auch hier durch die Linien im Bild wie ein Magnet zum Zentrum gezogen. Die gleichbleibenden Muster ringsherum verstärken diesen Effekt zusätzlich.
Technische Daten: F/5.6 | 1/8 Sekunde | ISO 100 Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ & Polfilter für die Drohne
Wenn unser Gehirn solche Regelmäßigkeiten, in Form von wiederkehrenden Elementen erkennen kann, die scheinbar gleichmäßig angeordnet sind, dann empfinden wir das oft als schön und harmonisch.
Einstellungen: F/8, 1/160 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: Nikon D80 + Nikkor 70-300mm
Selbst ein vom Boden aus langweilig wirkender abgemähter Acker kann, von oben betrachtet, ungeahnte gleichförmige Muster aufzeigen. Diese Muster und Wiederholungen gibt es natürlich nicht nur aus der Luft zu entdecken. Es gibt sie auch z.B. in wilden Blumenwiesen, Wäldern und Feldern überall in deiner Nähe. Der Teppich aus wildem Bärlauch im Foto weiter oben ist auch so ein sich wiederholendes Muster in der Natur.
📸 Übung: Halte Ausschau nach sich wiederholenden Strukturen und Mustern in deiner Umgebung.
Symmetrie und Spiegelungen
Ähnlich wie bei natürlichen Mustern und Wiederholungen, werden Symmetrie und Spiegelungen in Bildern auf einer sehr tiefen Stufe unserer Wahrnehmung erkannt und als schön und beruhigend empfunden.
Die wohl am häufigsten eingesetzte Form von Symmetrie als Gestaltungselement in Fotos, ist die Spiegelung in Gewässern oder an spiegelnden Elementen wie Fenstern bei der Architekturfotografie. In natürlichen Gewässern ist die Voraussetzung dafür, dass es spiegelt, das nur wenig bis kein Wind vorhanden ist. Nur glatte Oberflächen spiegeln gut. Sind Wellen auf dem Wasser, wird die Spiegelung stark verzerrt oder ist gar nicht mehr zu erkennen.
Einstellungen: F/8, 1/60 Sekunde, ISO64, EV-0,67 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter
Fotos auf denen sich die Landschaft spiegelt und praktisch zwei Mal zu sehen ist, strahlen häufig Ruhe und Ausgewogenheit aus. Du kannst diese Spiegelungen mit einem Polfilter verstärken und die Farben und Kontraste erhöhen oder aber das Wasser komplett durchsichtig werden lassen und den Boden des Sees oder Fische im Bild zeigen.
💡 Tipp: Was du mit dem Polfilter und neutralen Graufiltern noch alles anstellen kannst, erkläre ich dir ausführlich in meinem Artikel 10 Tipps für kreative Landschaftsfotos.
Wie du in dem Beispiel oben siehst, habe ich die Drittel-Regel hier komplett ignoriert und den Horizont praktisch genau in die Mitte des Bildes gesetzt. Bekanntlich hat ja jede Regel ihre Ausnahme und bei solchen symmetrischen Motiven strahlt das Bild und die exakte Spiegelung mehr Ruhe und Harmonie aus, wenn die Spiegelung mittig ausgerichtet ist.
Vermeide leere Flächen – negativen Raum
Großen leere Flächen im Bild, auch negativer Raum genannt, solltest du versuchen zu vermeiden. Solche Bilder wirken langweilig und haben wenig Anziehungskraft. Ein blauer und wolkenloser Himmel wird nicht umsonst, als der Albtraum eines Landschaftsfotografen bezeichnet. Als Postkartenmotiv mag es möglicherweise Anklang finden, aber in der künstlerischen Landschaftsfotografie ist eher Drama im Himmel gefragt.
Einstellungen: F/11, 1/125 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter + Stativ
Dem leeren Bereich oben rechts im Foto stehts nicht entgegen. Es ist einfach toter Raum im Bild ohne jegliche Aussage. Es gibt allerdings auch Anwendungsfälle, wo genau das gefragt ist. Solltest du deine Fotos online verkaufen wollen und über Agenturen für Magazine, Zeitungen und Kalender lizenzieren lassen, dann können auch solche Fotos zum Verkaufsschlager werden. Sie bieten nämlich ausreichend Platz für Werbeslogans, Überschriften und andere Formen von Text, ohne dabei davon abzulenken. Im Idealfall unterstützt die Bildaussage den Text in seiner Wirkung.
Neue Perspektiven ausprobieren
Ob aus der Luft, am Boden liegend oder auf einer Leiter stehend, finde neue Perspektiven, um deinen Bildern etwas Neues und Ungewöhnliches zu verleihen.
Eine gute Perspektive zu finden, heißt nicht nur, einfach die Höhe und den Winkel der Kamera für eine Aufnahme zu verändern, sondern es bedeutet, trotzdem ein inhaltliches Gleichgewicht im Bild herzustellen. Wenn wir uns ein Bild zum ersten Mal ansehen, ist es ähnlich, wie wenn wir jemanden zum ersten Mal treffen. Als Erstes wirkt der Gesamteindruck auf uns und dieser muss bei einer Fotografie ein Gleichgewicht vermitteln. Erst beim zweiten, dritten und vierten Blick schauen wir auf die Details und sehen genauer hin.
Einstellungen: F/5.6, 1/5 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ + Polfilter für die Drohne
🔎 Hinweis: Falls du neu in die Welt der Luftaufnahmen einsteigen möchtest, kann ich dir meinen ausführlichen Artikel über die Drohnenfotografie empfehlen.
Einstellungen: F/5.6, 1/100 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ + Polfilter für die Drohne
Besonders Perspektiven, die wir im Alltag nicht gewohnt sind, strahlen einen gewissen Reiz aus und wirken interessant. Die Vogelperspektive vermittelt zusätzlich den Eindruck von Weite und Freiheit und lässt einen oft sagenhafte Orte im Bild entdecken, die man vom Boden aus gar nicht erahnt hätte. Aber es muss natürlich nicht immer gleich die Fotografie aus der Luft sein, um neue Perspektiven und Blickwinkel zu entdecken und zu zeigen. Manchmal reicht es schon aus, dass Stativ nicht wie gewohnt auf Augenhöhe aufzubauen, sondern erst mit der Kamera locker in der Hand einen neuen und interessanten Winkel zu finden.
📸 Übung: Suche dir eine Wiese oder einen Waldabschnitt und probiere mal die Ameisenperspektive im Liegen oder auch die Froschperspektive in der Hocke aus. Das allein kann schon einen großen Unterschied gegenüber der gewohnten Augenhöhe in der Bildwirkung ausmachen.
Minimalismus – Weniger ist mehr
Besonders bei der Bildgestaltung ist weniger oft mehr. Der Minimalismus im Bild unterhalb treibt das Ganze natürlich auf die Spitze. Frei nach dem K.I.S.S. Prinzip (Keep It Simple Stupid), wird alles, was nicht zur Bildaussage beiträgt oder stört, weggelassen.
Dieses Bild von der Ostsee entstand am Abend an einem ersten Januar. Es war den ganzen Tag schon neblig gewesen an der Küste und kaum Wind spürbar. Sehr seltene Bedingungen für die Lage am Meer also. Alles war ruhig, kaum Menschen unterwegs und ich war stundenlang alleine am Strand unterwegs. Der Sonnenuntergang war farblos gewesen, aber während der blauen Stunde ergaben sich diese surrealen Bedingungen. Durch den Nebel verschwammen Meer und Himmel und der Horizont existierte praktisch nicht mehr.
Einstellungen: F/5.6, 30 Sekunden, ISO64 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Ich entschied mich dafür, eine 30 Sekunden Langzeitbelichtung auszuprobieren, um die Wellen der Brandung auch noch verschwinden zu lassen und das Foto sehr minimalistisch wirken zu lassen. Die Buhne platzierte ich diagonal entlang der Schnittpunkte der Linien der Drittel-Regel. Durch das Ende der Buhne im oberen zweiten Drittel des Bildes erahnt der Betrachter noch einen möglichen Horizont und den Himmel. Für mich strahlt dieses Bild enorm viel Ruhe und Entspannung aus. Ich sehe es mit meinem inneren Auge förmlich im Wellnessbereich eines Spa-Hotels hängen und zum Relaxen der Gäste beitragen.
🔎 Tipp: Bei Langzeitbelichtungen mit sehr dunklen Graufiltern machst du die Bildkomposition und setzt den Fokus am besten bevor du den Filter an die Linse schraubst oder schiebst. Solche Filter dunkeln nämlich teilweise so stark ab, dass du durch den Sucher bzw. das LiveView Bild nichts mehr siehst und der Autofokus nicht mehr funktioniert.
Nutze natürliche Rahmen
In der Natur ergeben sich durch spezielle Wetterbedingungen oder durch natürliche Gegebenheiten im Wald durch Äste von Bäumen oder in Höhlen, entlang von Felskanten oder in Stadtlandschaften an Zäumen oder Torbögen und Fenstern, Möglichkeiten, Rahmen für die Bildgestaltung zu nutzen. Mit Hilfe eines solchen Rahmens lässt sich das Auge des Betrachters gezielt lenken und der Blick bleibt im Bild und führt nicht hinaus.
Einstellungen: F/8, 1/3 Sekunde, ISO200 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter + Stativ
Während einer einwöchigen Fototour in den Alpen öffnete sich beim Fotografieren plötzlich dieses magische Fenster in den dicken tief hängenden Wolken und gab die Sicht auf das Wiesbachhorn frei. Glücklicherweise konnte ich den kurzen Augenblick nutzen und das Foto oberhalb war im Kasten. Die Wolken umrahmen den Gipfel des Berges und lenken den Blick zwangsläufig direkt darauf.
Einstellungen: F/5.6, 30 Sekunden, ISO200, EV+2 | Ausrüstung: Nikon D80 + 18-70mm Kit Objektiv + Stativ + IR Filter
Dieses Infrarot Foto nutzt die Bäume und dicken Äste am Ufer eines Sees als natürlichen Rahmen und betont dadurch die Spiegelung in der Mitte des Bildes.
Kontext, Proportion und Größenverhältnisse
Jeder kennt diese Aussage von Bekannten und Verwandten: „Vor Ort sah das so überwältigend aus, aber auf dem Foto kommt das natürlich nicht so rüber.“ Aber genau das ist die Aufgabe eines guten Fotografen. Das Foto muss all die Eindrücke, wie Wind, Weite, Abgeschiedenheit oder Einsamkeit, die du vor Ort hattest irgendwie einfangen und kommunizieren.
Manche Motive funktionieren erst, wenn du sie im Kontext eines anderen Objektes präsentierst. Ob es sich dabei nun um einen Menschen, ein Tier, ein Zelt, einen Baum oder einen anderen seelenlosen Gegenstand handelt, ist im Grunde egal. Hauptsache der Betrachter kann dadurch die Größenrelation richtig einordnen. Menschen als Referenzobjekt haben dabei natürlich die größtmögliche emotionale Wirkung. Der Fotograf Max Rive ist, mit solchen Bildern von Menschen in der großen weiten und wilden Landschaft, weltweit berühmt geworden.
Erst durch die zusätzliche Dimension, des vor dem Wasserfall stehenden Menschen, funktioniert das Foto unterhalb und vermittelt durch die Person die schiere Größe des Wasserfalls in Relation zur Größe des Menschen.
Einstellungen: F/5.6, 1/45 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 24-105mm IS + Polfilter
Ein Lösungsansatz, um die fehlenden Eindrücke des tatsächlichen Erlebens zu ersetzen ist es also, etwas in das Foto zu integrieren, was der Betrachter wahrscheinlich schon kennt. Dadurch fällt es dem Auge und der Wahrnehmung des Betrachters leichter, die Szene richtig einzuordnen und gibt dem zweidimensionalen Medium etwas mehr Plastizität.
🔎 Tipp: Wenn du allein unterwegs bist und sonst niemand da ist, kannst du dich mit Hilfe des Selbstauslösers oder Funkfernauslösers auch selbst in die Szene einbauen. Das ist nebenbei auch ein schönes Erinnerungsfoto.
Sonderfall: Fotografieren im Wald
Wirrwarr im Wald
Das Fotografieren im Wald stellt einen Sonderfall bei der Bildkomposition dar. Im Wald gibt es aus Sicht der Bildgestaltung besonders viel Chaos. Eine gewisse Ordnung und Ruhe in dieses Wirrwarr von Bäumen, Ästen, Büschen, Zweigen, Blumen, Sträuchern, Steinen und Wasser zu bringen ist besonders schwer.
Am besten funktioniert es, wenn du dir erst einmal einen sehr prägnanten Vordergrund suchst, sodass der Betrachter einen eindeutigen Einstiegspunkt hat und das Auge sich sozusagen schon mal an etwas festhalten kann, bevor es sich in den vielen Informationen im Bild verliert. Ich suche mir meistens einen markanten Stein oder wie in den Beispielbildern zu sehen, einen Flusslauf mit Stromschnellen oder einer kleinen Kaskade als visuellen Anker.
Beispielbilder – Vordergrund aber kein Himmel
Einstellungen: F/11, 2.5 Sekunden, ISO100 | Ausrüstung: Nikon D810 + Nikkor 16-35mm + Polfilter + Stativ
Dem Fluss verleihe ich dann durch eine Langzeitbelichtung des Wassers ein bisschen mehr Ruhe und nutze ihn für die Blickführung durch die Szenerie. Der Rest des Bildes wird aber mit einer relativ kurzen Verschlusszeit belichtet, damit das Laub und die Blätter scharf bleiben. Während der Nachbearbeitung setze ich dann beide Fotos in Photoshop manuell mittels Ebenenmasken zusammen. Das geht schnell und ist auch nicht weiter kompliziert.
Einstellungen: F/11, 6 Sekunden, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 17-40mm + Polfilter + Stativ
Ein weiterer wichtiger Tipp für das Fotografieren im Wald ist es, keinen Himmel in die Bildkomposition zu integrieren. Waldbilder mit Himmel funktionieren in den seltensten Fällen. Der Unterschied in der Helligkeit zwischen Himmel und dem vordergründigen Wald ist einfach zu groß und wirkt selbst mit dem Einsatz von Belichtungsreihen (HDR) eher unnatürlich. Bleib also mit dem Blickwinkel wortwörtlich im Wald, nimm lieber mehr vom Vordergrund in das Bild und achte zusätzlich darauf, dass keine Bäume an wichtigen Teilen oben abgeschnitten werden und die ansonsten harmonische Komposition abrupt aufhört.
💡 Bonus: Mehr zum Thema Fotografieren im Harz und meine persönlichen 10 Lieblingsplätze der Region findest du im verlinkten Artikel.
Betonen der Komposition in der Nachbearbeitung
In der digitalen Nachbearbeitung kannst du gezielt Farben und Kontraste einsetzen, um die von dir angestrebte Bildwirkung zu unterstützen. Du kannst bestimmte (Komplementär-) Farben intensivieren und andere (störende) abschwächen und entsättigen, um die Blickführung auf diese Weise entsprechend zu verstärken. In der Nähe des Hauptmotivs kannst du z.B. den Kontrast gezielt erhöhen, damit er als Einstiegspunkt in das Bild fungieren kann. Der Blick wandert ja immer zuerst zu dem Bereich im Bild mit dem höchsten Kontrast.
Das Foto unterhalb hat den stärksten Kontrast bei den Stromschnellen im Wasser unten links. Das ist auch der Einstiegspunkt für den Betrachter. Der Blick wandert dann entlang der S-Kurve durch das Bild. Durch eine leichte Vignette soll der Blick dann innerhalb des Fotos bleiben.
Einstellungen: F/8, 0.3 Sekunden, ISO200 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter + Stativ
Ich nutze eine leichte bis mittel starke Vignette bei fast all meinen Fotos. Du wirst sie gar nicht bewusst wahrnehmen oder sehen, aber sie ist da. Sie bildet ebenfalls eine Art unsichtbaren Rahmen und soll den Blick im Bild festhalten und auf das Wesentliche lenken.
Querformat oder Hochformat
In den meisten Fällen wird beim Fotografieren gar nicht aktiv über das Format nachgedacht, sondern einfach das Querformat genommen. Es spricht ja auch Vieles dafür, da es unserem alltäglichem Umfeld entspricht. Unser eigenes Blickfeld ähnelt eher dem Querformat als dem Hochformat. Auch der Fernseher, Kamera- oder Computerbildschirm und der Sucher sind alle im Querformat ausgerichtet.
Einstellungen: F/8, 1/4 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter + Stativ
Nichtsdestotrotz solltest du dem Hochformat eine Chance einräumen und es wenigstens hin- und wieder ausprobieren. Denn auch wenn es im Allgemeinen als Portrait Format bezeichnet wird, kannst du es bewusst für deine Landschaftsfotos einsetzen. Es verspricht mehr Tiefenwirkung zu erzeugen, da in der Vertikalen mehr Platz für den klassischen Bildaufbau von Vordergrund, Mitte und Hintergrund vorhanden ist. Obendrein wirken Bilder im Hochformat oft dynamischer und verkaufen sich besser als Poster und Magazin- und Zeitschriften Cover.
Einstellungen: F/8, 0.3 Sekunden, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter + Stativ
Wenn das Licht an solchen spektakulären Landschaften wie dem Cap de Formentor auf Mallorca mitspielt, nehme ich meistens gleich mehrere Perspektiven und auch beide Formate auf. Zum einen kann ich so später in Ruhe entscheiden, welches für mich die besser funktionierende Bildkomposition ist. Zum anderen lassen sich beiden Varianten später über verschiedene Verkaufskanäle monetarisieren.
Die optimale Bildkomposition finden
Praxis – worauf musst du achten
Wie du siehst, gibt es viele Regeln und Ansätze wie du an die Bildkomposition und die bewusste Gestaltung deiner Fotos herangehen kannst. Du musst dich dabei natürlich nicht zwangsläufig an alle Regeln halten. Betrachte sie eher als Empfehlung und als Startpunkt für deine eigenen Überlegungen. Kombiniere z.B. die Drittel-Regel und die Integration eines markanten Vordergrunds für die entsprechende Tiefenwirkung im Foto. Konzentriere dich auf das Wesentliche und lass alles Störende weg. Denke dran, die Regeln sind nicht in Stein gemeißelt, sondern eher ein Ratschlag.
Verinnerliche die Regeln einfach nach und nach und habe sie beim Fotografieren immer im Hinterkopf, aber arbeite sie nicht wie eine Checkliste ab. Am Ende musst du dich auch immer an die Gegebenheiten vor Ort anpassen und Kompromisse eingehen. Wenn eine Absperrung oder eine steile Felskante zum Beispiel nicht erlauben, dass du näher an dein Motiv heran kommst, dann ist das eben so.
Lass den Ort auf dich wirken
Wenn ich an einen für mich noch unbekannten Ort das erste Mal ankomme, nehme ich mir bewusst viel Zeit, um den Ort auf mich wirken zu lassen und halte dabei Ausschau nach möglichen Vordergründen und Bildkompositionen. Der Hintergrund einer Location ist relativ gut planbar, sei es eine Bergkette, ein Waldrand oder ein Küstenabschnitt. Das ist fix und auch nicht auf die Schnelle änderbar. Der Vordergrund, wie z.B. Blumen, Steine oder Stromschnellen sind aber variabel und enorm wichtig, um dem Foto genügend Tiefe zu verleihen. Lass dir bei der Suche also ausreichend Zeit dafür.
Suche deinen Bildausschnitt erst ohne Stativ
Auf der Suche nach dem optimalen Bildausschnitt bewegst du dich am besten erstmal ohne Stativ und schaust dich in Ruhe um. Nur so kannst du wirklich frei und schnell unterschiedlichste Perspektiven, Höhen, Winkel und Brennweiten ausprobieren. Baue erst dann dein Stativ mit der entsprechenden Höhe auf, wenn du die für dich beste Komposition gefunden hast. Achte dabei auch auf eine ausgewogene Balance im Bild. Es sollten nicht alle visuell schweren Elemente auf einer Seite oder in einer Ecke des Bildes sein und den Blick auf sich ziehen, während die andere Seite des Bildes leer ausgeht. Eine ausgewogene Verteilung wirkt harmonischer.
Gewöhne dir am besten gar nicht erst an, direkt nach dem Ankommen an einem neuen Ort, direkt das Stativ voll auszuklappen und auf Augenhöhe aufzubauen. Damit beschneidest du dich schon von vorne herein bei der kreativen Gestaltung deines Fotos.
Lass etwas Platz an den Rändern und halte sie sauber
Denk immer daran, auch an den Rändern des Bildes etwas Platz zu lassen und nichts auf Krampf in eine der Ecken zu quetschen. Gib den Elementen im Bild etwas Platz zum Atmen. Während dem Entwickeln der RAW Dateien und der digitalen Nachbearbeitung gehen durch Anwendung der Profilkorrekturen der Linse und dem Entzerren des Bildes möglicherweise einige Informationen am Rand des Fotos verloren. Auch bei bestimmten Varianten des Drucks, wie dem Aufspannen auf Leinwand um einen Keilrahmen, werden Teile des Rands beschnitten.
Achte zudem darauf, dass die Ränder „sauber“ sind. Das fällt vielleicht nicht auf den ersten Blick auf, aber beim genaueren Hinsehen erkennt der geübte Betrachter, wie sorgfältig auf die Bildkomposition geachtet wurde. Ich kontrolliere z.B. immer, dass keine störenden Äste ins Bild ragen, sich irgendetwas zur Hälfte ins Bild schummelt oder eine Linie am Rand aus dem Bild hinaus führt.
🔎 Tipp: Warum das Fotografieren im RAW Format der Bildqualität zugute kommt, erfährst du in meinem Artikel RAW vs. JPG.
Achte auf einen geraden Horizont
Eine der absoluten Grundlagen, um ein ansprechendes Foto zu gestalten ist ein gerader Horizont. Ist das Foto in Schieflage, fällt das dem Betrachter als Erstes auf. Nutze einfach das Kamera interne Tool zur Anzeige einer möglichen Schräglage, das im Sucher und LiveView Display eingeblendete Raster, eine Wasserwaage für den Blitzschuh der Kamera oder eine am Stativ integrierte Wasserwaage. Es gibt so viele einfache und kostenlose Möglichkeiten dafür, dass ein schräger Horizont im Bild einfach nur schlampig wirkt. Sollte das der Fall sein, wird dir niemand mehr abnehmen, dass du dir ernsthaft Gedanken um das Foto gemacht hast.
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Zusammenfassung & Fazit
Fotos beeindrucken aufgrund des Motivs, des Lichts, der Wahl des Bildausschnitts und einer sauberen technischen Umsetzung. Die Bildgestaltung, das Komponieren der Elemente zu einem harmonischen Ganzen, ist eine der Kernkomponenten eines qualitativ hochwertigen Fotos.
Knipse also nicht einfach wild drauf los, sondern mach dir im Vorfeld Gedanken, was du wie im Bild zeigen willst, bevor du auf den Auslöser drückst. Nimm dir die dafür nötige Zeit, auch wenn du dadurch die Geduld deiner Begleitung vielleicht auf die Probe stellst. Auf die Bildkomposition zu achten lohnt sich immer, egal, ob du Fotos im Urlaub, auf einer Reise, Party, im Restaurant, auf dem Kindergeburtstag oder eben auf einer dedizierten Fototour aufnehmen willst.
Mit einer durchdachten Bildkomposition wird sich die Qualität deiner Fotos enorm steigern und das unabhängig von der von dir verwendeten Ausrüstung. Du kannst eindrucksvolle Fotos mit einer Smartphone-Kamera aufnehmen und umgekehrt genau so auch richtig schlechte Fotos mit der besten Ausrüstung produzieren. Auch hier gilt, der gute Fotograf macht die Fotos, nicht die gute Kamera.
Hast du noch Fragen zu einem der Punkte oder Anmerkungen? Dann schreib mir diese gern in den Kommentaren!
Bildkomposition
Ich bin Dave und seit über 20 Jahren leidenschaftlicher Landschaftsfotograf und Buchautor. Meine Erfahrungen und mein über die Jahre zusammengetragenes Wissen der Landschaftsfotografie gebe ich gern hier auf diesen Seiten in den Rubriken Tutorials, Ausrüstung und Reisen an dich weiter. Um zukünftig keinen dieser Beiträge mehr zu verpassen, kannst Du einfach meinen kostenlosen Newsletter abonnieren oder den ebenso kostenlosen RSS Feed benutzen. Eine kleine Auswahl meiner Landschaftsfotos findest du hier in der Galerie und auf meiner persönlichen Foto-Webseite.
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