In diesem Artikel geht es darum, wie du abstrakte Waldbilder fotografieren kannst. Ich erkläre dir, was es überhaupt damit auf sich hat und zeige dir die Aufnahmetechniken und die richtigen Kameraeinstellungen, damit du das abstrakte Fotografieren gleich selbst ausprobieren kannst.
Was sind abstrakte Waldbilder und warum
Hast du die Nase voll von langweiligen Bildkompositionen und 08/15 Belichtungszeiten im Wald? Dann wird es Zeit, mal was Neues auszuprobieren! Im Gegensatz zur „normalen Waldfotografie“ geht es hierbei einmal nicht darum, alles von vorne bis hinten knackig scharf und richtig belichtet zu haben, sondern vielmehr um kreative Aufnahmetechniken.
Einstellungen: F/8, 1/2 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter
Ich bin bereits vor vielen Jahren auf diese Technik des Fotografierens aufmerksam geworden und war sofort begeistert. Ich mag das Konzept der Einfachheit dieser Fotos und das sie für mich viel Ruhe ausstrahlen.
Diese Methode wird öfter auch als „Wischtechnik“ oder im Englischen als ICM (intentional camera movement) oder „Panning“ bezeichnet. Sie beschränkt sich aber nicht nur auf Wald-Fotos, sondern wird vor allem bei bewegten Motiven eingesetzt. Zum Beispiel bei der Sport- oder der Tierfotografie, um das Motiv in der Bewegung von seinem unscharfen Hintergrund freizustellen.
Wie entstehen die abstrakten Waldbilder
Wie entstehen die abstrakten Waldbilder nun aber? Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen, mit denen du solch ein Foto entweder schon bei der Aufnahme in der Kamera entstehen lassen kannst oder den Effekt nachträglich bei der digitalen Nachbearbeitung hinzufügst.
Den passenden Ort im Wald finden
Damit du ein gelingendes abstraktes Waldbild erschaffen kannst, musst du als ersten Schritt den passenden Ort im Wald dafür finden. An den meisten Stellen im Wald herrscht optisches Chaos. Wilde Sträucher, viele Äste und Gestrüpp verlaufen kreuz und quer durch das mögliche Foto. Die erste Aufgabe des Fotografen ist es, eine ruhige und passende Bildkomposition zu finden, bei der die Strukturen im Wald und später im Bild möglichst homogen und harmonisch sind.
Einstellungen: F/16, 1.3 Sekunden, ISO50 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 24-105mm IS + Polfilter
In der Kamera beim Fotografieren
Hast du eine passende Stelle im Wald gefunden, kann es losgehen mit dem Fotografieren. Solche Bilder entstehen durch die Bewegung der Kamera während der Aufnahme. Das bedeutet, dass du den Auslöser drückst und die Belichtungszeit lang genug sein muss, damit du die Kamera während des Belichtens bewegen kannst. Das Ganze erfordert definitiv etwas Übung und wird dir nicht gleich beim ersten Versuch gelingen. Also lass dich nicht entmutigen, wenn es nicht auf Anhieb klappt.
Neben der Verschlusszeit ist auch die Richtung der Bewegung entscheidend. Für meinen Geschmack funktionieren diese Bilder nur, wenn die Kamera in Richtung der vorhandenen Strukturen bewegt wird. Das heißt, im Fall der Waldbilder also entlang der Bäume. Die Richtung der Kamerabewegung sollte also hoch oder runter sein. Vertikal, nicht horizontal. Probiere das gern einmal aus. Bei einer seitlichen Bewegung kommt meistens nur komplett strukturloser Bildbrei heraus.
Einstellungen: F/8, 2 Sekunden, ISO200 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter
Welche Kameraeinstellungen sind nun aber ideal für solche abstrakten Fotos? Damit dieser leicht verschwommene Look entsteht, sind relativ hohe Belichtungszeiten jenseits von 1/30 Sekunde nötig. Am besten noch um einiges länger, weil du dadurch mehr Zeit hast, die Kamera zu bewegen.
Um diese langen Belichtungszeiten zu erreichen, schließt du die Blende möglichst weit und lässt die ISO sehr niedrig. Im Wald ist es ohnehin schon recht dunkel, wodurch sich lange Belichtungszeiten ergeben. Sollte das aber noch nicht reichen, kannst du zusätzliche Filter wie z.B. neutrale Graufilter oder den Polfilter benutzen. Ein Stativ brauchst du bei diesen Aufnahmen natürlich nicht.
🔎 Tipp: Mehr über den Zusammenhang von Verschlusszeit, Blende und ISO erfährst du im verlinkten Artikel.
Bei der digitalen Nachbearbeitung
Du kannst den Effekt (teilweise) auch mit der digitalen Nachbearbeitung nachträglich auf das Foto anwenden. Das sieht dann allerdings weniger wild und natürlich aus, kann aber durchaus auch seinen eigenen Reiz haben. Um den abstrakten Look des Fotos mit kreativer Nachbearbeitung zu erschaffen, sind im wesentlichen nur zwei einfache Filter nötig.
Einstellungen: F/8, 1/30 Sekunde, ISO200, EV+0,67 | Ausrüstung: Nikon D850 + Nikkor 16-35mm + Polfilter
Als Erstes wendest du die Bewegungsunschärfe auf das Bild an. In Photoshop gehst du dazu auf: Filter 🠒 Weichzeichnungsfilter 🠒 Bewegungsunschärfe. Im Dialogfenster für den Filter kannst du nun den Winkel und die Stärke einstellen. Der Winkel sollte in den meisten Fällen wahrscheinlich 90° Grad sein. Es sei denn, du hast einen äußerst schief wachsendes Stück Wald gefunden. Die Stärke hängt wiederum stark vom Motiv und deinem eigenen Geschmack ab. Da geht wie immer Probieren über Studieren.
Der zweite Filter ist dann der Gaußsche Weichzeichner. Den findest du unter: Filter 🠒 Weichzeichnungsfilter 🠒 Gaußscher Weichzeichner. Auch hier hängt die Stärke vor allem vom persönlichen Geschmack ab. Den zweiten Filter nutze ich auch nur partiell für die äußeren Ränder des Fotos, um damit eine Art Vignette zu schaffen. Am einfachsten geht das mit einer Ebenen-Maske, indem du die gewünschten Stellen auf der Maske weiß malst.
💡 Bonus: Meinen kompletten Foto-Workflow sowie alle Schritte meiner Bildbearbeitung beschreibe ich ausführlich im Artikel Digitale Bildbearbeitung in der Landschaftsfotografie (inkl. kostenlose Photoshop Aktionen).
Abstrakte Waldbilder von oben
An dieser Stelle möchte ich dich noch auf einen kleinen Exkurs zur Fotografie aus der Luft mitnehmen. Fotos aus der Luft laden nämlich ebenfalls zu interessanten Perspektiven und neuen Blickwinkeln ein. Egal, ob nun aus einem kleinen Flugzeug, einem Helikopter oder mit der Drohne, Luftaufnahmen haben sehr großes Potenzial.
Einstellungen: F/5.6 | 1/13 Sekunde | ISO100, EV-1 | Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ + Polfilter für die Drohne
Auch bei diesen Fotos ist der erste Schritt ein geeignetes Stück Wald zu finden. Es sollte möglichst dicht sein und im Fall der Laubfärbung auch unterschiedliche Baumarten und damit Farben aufweisen. Der Rest ist dafür aber denkbar einfach. Am besten funktionieren dabei die sogenannten Top-Down Shots, bei denen die Kamera ebenfalls im 90° Grad Winkel senkrecht nach unten geneigt wird. Wenn du das Fluggerät und die Kamera dann zu einer stimmigen Bildkomposition ausgerichtet hast, die üblichen Kameraeinstellungen getroffen hast, brauchst du nur noch den Auslöser drücken. Fertig.
Einstellungen: F/5.6, 1/5 Sekunde, ISO100 | Ausrüstung: DJI Phantom 4 Pro+ + Polfilter für die Drohne
🔎 Tipp: Von der Auswahl einer Drohne bis hin zum Drohnenführerschein findest du viele nützliche Tipps und Tricks in meinem Drohnenfotografie Guide.
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Abstrakte Waldbilder – Fazit
Der surreale Look der abstrakten Waldbilder ist mal was anderes als immer nur die normalen Fotos. Oft weiß der Betrachter im ersten Moment gar nicht, was er da überhaupt sieht, was das Foto wiederum noch interessanter macht. Durch das homogene und unaufgeregte Aussehen sind sie für mich auch ideal für die eigene Wand zu Hause, da sie sehr viel Ruhe ausstrahlen.
Einstellungen: F/11, 4 Sekunden, ISO200 | Ausrüstung: Canon 5D MkII + Canon L 16-35mm + Polfilter
Das Ausprobieren und Experimentieren mit dieser Aufnahmetechnik macht einfach Spaß. Es ist mal ein neuer Impuls und eine andere Herangehensweise an die Landschaftsfotografie. Obendrein geht das zu jeder Jahreszeit, fast jedem Wetter und überall, wo auch immer du ein kleines Stück Wald findest. Einzige Voraussetzung ist eine Kamera, bei der du die Belichtungszeit einstellen kannst. Probiere es einfach mal aus!
Was hältst du von diesem Konzept und der Aufnahmetechnik? Willst du es selbst mal ausprobieren und würdest du dir ein abstraktes Waldbild an die Wand hängen? Schreib es mir gern in den Kommentaren!
Abstrakte Waldbilder
Ich bin Dave und seit über 20 Jahren leidenschaftlicher Landschaftsfotograf und Buchautor. Meine Erfahrungen und mein über die Jahre zusammengetragenes Wissen der Landschaftsfotografie gebe ich gern hier auf diesen Seiten in den Rubriken Tutorials, Ausrüstung und Reisen an dich weiter. Um zukünftig keinen dieser Beiträge mehr zu verpassen, kannst Du einfach meinen kostenlosen Newsletter abonnieren oder den ebenso kostenlosen RSS Feed benutzen. Eine kleine Auswahl meiner Landschaftsfotos findest du hier in der Galerie und auf meiner persönlichen Foto-Webseite.
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Hallo Dave,
wieder ein lesenswerter und konstruktiver Beitrag in Deinem Blog. Ich mache gelegentlich auch ICM -Bilder, habe Sie aber bisher nie an die Wand gehängt. Ich betrachte Sie als Auflockerung und Herausforderung.
Wie Du schreibst ist es Schrotschussmethode. 100 Bilder und 2-5 Treffer ist eine realistische Quote. Wobei ich alle Bilder aussortiere, wenn Himmel enthalten ist. Auf diese hellen Stellen schaue ich zuerst, aber das ist nicht das eigentliche Motiv.
Deshlab möchte ich Deinem guten Beitrag 2 Anmerkungen hinzufügen.
1. Immer von oben nach unten ziehen, damit kein Himmel im Bild ist.
2. Im Bild ist nichts scharf abgebildet. deshalb sind auch Blenden von 16, 22 oder 32 kein Problem. Die perfekte Vorgehensweise demonstriert Adam Gibbs in seinem sehenswerten Youtube-Video (v=F6LAwO-xoSQ, ab 8:20).
Andere Formen abstrakter Waldbilder erhalte ich, wenn ich bei heftigem Wind Langzeitbelichtungen machen, so dass der Stamm scharf, die Zweige und Blätter verwischt abgebildet werden. Ferner setze ich mal den Zoomeffekt ein (während der Belichtung die Brennweite des Zooms verändern) oder die Drehbewegung (während der Belichtung Objektiv und Kamera um seine eigene Achse drehen, Motiv ist in der Bildmitte).
Bei allen Varianten ist der Ausschuss sehr hoch, aber es gibt immer spannende weil andersartige Bilder.
Freue mich auf Deinen nächsten Blogbeitrag.
Schöne Oster- und Fotogrüße von
Bernd
Hallo Bernd,
und vielen Dank für deinen tollen Kommentar und die ergänzenden Anmerkungen! 🙂
Das stimmt, bei Waldfotos sollte man generell darauf achten, keinen Himmel in die Bildkomposition zu integrieren. In den meisten Fällen stören die hellen Bereiche im Bild dann nur und lenken den Blick vom Motiv weg.
Genau, da Diffraktion und die damit verbundene Unschärfe bei diesen Fotos ohnehin keine Rolle spielt, kann man die Blende ruhigen Gewissens auch mal bis zum Anschlag schließen, um dadurch die nötigen hohen Belichtungszeiten zu erreichen.
Die anderen Varianten, z.B. den Zoom-Effekt habe ich auch schon öfters ausprobiert, allerdings habe ich dabei noch kein Foto erstellt, was ich mir an die Wand hängen würde. Der Effekt und der Look der Bilder ist dann noch „chaotischer und ungeordneter“, wie ich finde. Das Reinzoomen beim Belichten funktioniert auch bei Architekturaufnahmen ganz gut. Am Ende ist es genau wie du schreibst, eine Technik zum Experimentieren, herumprobieren, auflockern und zum Spaß haben.
Wünsche Dir eine schöne Woche!
Bis bald, Dave